Vor kurzem stieß ich auf einen interessanten Artikel – hier.
Und ich fragte mich, ob Trauer tatsächlich eine Krankheit ist oder nicht.
Ich glaube, es kommt wirklich darauf an, wen man fragt.
Fragt man Hinterbliebene und Trauernde, so lautet die Antwort vermutlich: „Ja.“ Denn die Trauernde fühlen Schmerz und leiden unter Herzrasen, Schlaflosigkeit, Appetitlosigkeit, Nervosität, Atemnot . . . . . . . alles Anzeichen für eine Krankheit.
Fragt man PsychologInnen, lautet die Antwort eher: „Nein.“ Denn man sagt, Trauer ist eine stimmige also richtige Reaktion auf den Verlust eines geliebten Menschen. Es kann vielmehr eventuell ein Zeichen von psychischer Krankheit sein, wenn man nach einem schmerzhaften Verlust nicht trauert.
Fragt man die VerfasserInnen des DSM („Diagnostic and Statistical Manual of Mental Disorders“, auf Deutsch: Diagnostisches und statistisches Handbuch psychischer Störungen), so bekommt man wohl die Antwort: „Vielleicht – es kommt darauf an.“
Es kommt darauf an, welche Symptome in welchem Ausmaß auftreten und was genau dann diagnostiziert wird.
Seit diesem Jahr gibt es offiziell die psychische Krankheit:
„Verlängerte Trauerstörung“. Die gab es vorher nicht.
Um zu dieser Diagnose zu kommen, müssen bestimmte Faktoren erfüllt werden:
- der Verlust muss vor einem Jahr oder länger passiert sein,
- ein intensives Verlangen nach der verstorbenen Person muss vorhanden sein,
- es muss eine intensive gedankliche Beschäftigung mit der verstorbenen Person erkennbar sein,
- und dies mindestens einen Monat lang und zwar fast täglich.
- TherapeutInnen müssen das Ausmaß der Trauer nicht mehr für soziokulturell angemessen halten.
Dann also ist Trauer eine Krankheit und nennt sich „Verlängerte Trauerstörung“.
Früher dagegen gab es keine Diagnose für schmerzhaftes Trauern. Falls trauernde Menschen PsychotherapeutInnen aufsuchten, wurden sie unter der Überschrift „Depression“ oder „Anpassungsstörung“ behandelt.
Und jetzt haben wir die „Verlängerte Trauerstörung“.
Aber was heißt das für die Betroffenen? Spielt es eine Rolle wie der Zustand, in dem sie sich befinden, genannt wird?
Vielleicht, ja. Eventuell ist es praktisch und verführerisch, Trauer als Krankheit zu sehen. Denn dann gibt es ja auch bestimmt Medikamente oder eine spezifische Behandlung und dann geht die Trauer auch weg.
Wäre es nicht toll, wenn es eine Pille gegen Trauer gäbe?
Seltsamerweise möchten die meisten trauernden Menschen nicht, dass die Trauer weggeht, sondern nur, dass es nicht mehr so weh tut.
Eine Klientin, die zum ersten Mal zu mir kam, sagte: „Nehmen Sie mir meine Trauer nicht.“ Sie hatte Angst, dass mit der Trauer auch die Beziehung zu der oder dem Verstorbenen verschwinden würde. Und das wäre ein weiterer nicht zu ertragender Verlust.
Also, es geht nicht um die Bekämpfung der Trauer wie um die Bekämpfung einer Krankheit, im Sinne von „weg damit“, sondern es geht darum, weniger zu leiden und im Laufe Zeit auch mit dem Verlust ein zwar anderes aber trotz alledem gutes Leben führen zu können.
Trauernde stellen sich in den meisten Fällen wahrscheinlich gar nicht die Frage, ob sie krank sind oder nicht. Betroffene leiden so oder so, egal wie sich ihr Zustand nennt.
Ob Depression oder Anpassungsstörung oder verlängerte Trauerstörung oder einfach nur Trauer, professionelle Hilfe wird man sich immer dann suchen, wenn der lähmende Schmerz, den der Verlust der geliebten Person verursacht hat, nicht weggeht. Wenn seit dem Todesfall das Leben eine einzige Qual ist. Und alle Versuche, wieder in irgendeiner Form ins Leben zurück zu kehren, scheitern.
Wenn Hinterbliebene und Trauernde sich abgestumpft und einsam fühlen, wenn ihre Gedanken um die Sinnlosigkeit des Lebens kreisen und körperliche Erschöpfung ihr ständiger Begleiter im Alltags ist, wird eine Trauerberatung oder Trauertherapie der richtige Weg für Betroffene sein – egal ob Krankheit oder nicht.
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